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WER STIRBT KANN LEBEN

Wir feiern Ostern. Ein Fest, das den Tod und das Leben umfasst. Denn es gibt kein Leben ohne den Tod. Ihn habe ich im letzten Jahr neu kennen gelernt. Und schätzen.



2019 war mein Jahr der Wüste, des Todes, der Stille. Ein leiser Gedanke drängte sich zu Beginn auf: "Alles darf, nichts muss." Also zog ich jede Offerte zurück und legte jeden Auftrag lahm, entschied mich, ein Jahr nicht als Texterin, Moderatorin und Journalistin zu arbeiten. Ich kaufte passende Bücher, abonnierte Podcasts und meldete mich in einem Kurs an, um tiefliegende Ängste, Muster und Gedankengebäude einreissen zu lassen. Dieses Jahr widmete ich meiner "inneren Arbeit". Dem Ort, den niemand sieht, meiner Entblössung, meiner Ausschüttung, meiner Begegnung im Gebet.


In einem Tagebucheintrag vom 12. Januar schrieb ich:

Das Versteckspiel mit der Wahrheit, mit unserem ehrlichen Empfinden und tatsächlichen inneren Zustand, hält gefangen.

So kam es, dass ich ein Jahr lang intensiv das Gebet suchte, tiefer in verstockte Beziehungen und ihre Auswirkungen eintauchte und mein Verhalten schonungslos reflektierte. Und nein: Es gab kein erschütterndes Ereignis, das mich dazu bewog. Ich bin ein fröhlicher, positiver Menschen. Ich habe tiefe Freundschaften und einen Mann an meiner Seite, der mich liebt und lobt. Und doch: In meinen Wurzeln finde ich Schmerz, Angst, Verletzung, Selbstschutz und Minderwert. Viel Müll, der sich im Kleinen und im Grossen anhäuft und giftige Säfte zieht.


Im Rhythmus der Wüste


Martin Schleske, einer der feinsten Geigenbauer dieser Zeit, sagte in einem Interview im AMEN-Magazin (Ausgabe 4, Winter 2018): "Und Leben ist das Geheimnis von allem, was heilsam ist in unserem Leben." Die Entblössung, die wahre Betrachtung unserer innersten Empfindungen kann sich tödlich anfühlen, schmerzhaft und kapitulierend, aber sie ist heilsam. Letztlich bringt uns dieses innere Kapitulieren, dieser innere Tod erst echtes Leben. Und dieser Tod ist kein einmaliges Ereignis, sondern ein Rhythmus. Wir brauchen den Rhythmus der Wüste, des Todes, der Stille, des Winters, um echtes Leben und den Frühling zu finden. Immer wieder.

Ein Samenkorn stirbt, bevor es Wurzeln schlägt und in den Himmel ragt. Alle Jahre wieder.

Ich weinte viel, trauerte, war wütend, manchmal müde und manchmal aufgebracht. Alles darf sein. Alles muss sein, damit es mich nicht steuert, sondern mir zur Heilung dient. Gerade in dieser Zeit wurde ich schwanger, aber das Baby starb in mir. Das war ein weiterer Tod in diesem Jahr, noch viel roher und brutaler, als diese vielen inneren Tode. Ich war froh, dass ich mir in den vergangenen Monaten bewusst gemacht hatte: Gib dem Schmerz Raum, um echter Heilung den Weg zu bereiten! Ich lag eine Woche im Bett, sagte alle Termine ab, organisierte Babysitter für meine zwei Kinder. Ich blutete körperlich genauso wie seelisch. Ich weinte, wann immer mich die Welle der Trauer überwog, haltlos und unkontrolliert. In der Gewissheit, dass ich gehalten bin, in Händen, die das Meer erschaffen haben.


Es war ein schmerzhaftes, ein heilsames Jahr 2019. Noch nie habe ich Ostern so wach, so bewusst erlebt wie jetzt. Weil ich mehr davon verstehe als jemals zuvor.


Frohe Ostern!

Und einen blühenden Frühling!


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