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MAMA, SEI NICHT STRENG

Zum Muttertag erlaube ich dir einen unschönen Einblick in einen Tag, den ich vor Kurzem lieber aus meiner Erinnerung gestrichen hätte. Heute habe ich mich mit ihm versöhnt. Er mahnt mich sogar an mehr Gelassenheit und Gnade mit mir selbst.






Ich schiebe den kleinen Rücken schwungvoll ins Kinderzimmer, knall die Tür zu und zieh die Klinke nach oben, so dass der Kleine nicht mehr rauskommen kann. Mein Herz pulsiert bis in den Hals, die Wut ballt sich in meiner Magengegend, und dabei rasen mir Gedanken durch den Kopf: «Das ist genau das, was du nicht möchtest! Einsperren ist Gewalt! Was tust du deinem Sohn hier an? Was bist du nur für ein furchteinflössende, schreckliche Mutter!»

Dieser Wutausbruch und andere Grenzerfahrungen waren der Anlass, dass ich und mein Mann einen Termin bei einer Erziehungsberaterin ausmachten. Wir hatten uns grundsätzlich entschieden, unsere Familienkultur auf Vertrauen und Beziehung zu bauen, und deshalb auf jede Form der Gewalt, Machtspiele und Manipulation zu verzichten.

Gewalt! Manipulation! Diese Worte klingen so gross und fürchterlich, aber in unserem Alltag treten sie doch oft harmlos auf, schleichen sich verdeckt in Beziehungen, verkaufen sich unter anderen Namen.

Ich möchte sie entlarven und entmachten. Keine Gewalt! Kein Einsperren! Kein Bedrohen! Aus der Beratung erhoffte ich mir Lösungen und konkrete Instrumente an die Hand, damit ich immer ruhig und gelassen bleibe. Auch wenn mich meine Kinder an meine Grenzen drängen, bis mein Gehirn blockiert und nur noch tief abgespeicherte Reaktionsmuster abspielt.

Ich schämte mich fürchterlich, nur schon beim Gedanken daran, der Beraterin die Situationen zu schildern, die uns zu ihr führten. Die lauten Schreie, der Schubser, der feste Griff am Handgelenk, die zugezogene Tür... sie haben mich in Grund und Boden getrieben und am liebsten hätte ich nie wieder daran gedacht.

Um mein Verhalten in den Griff zu kriegen, muss ich es aber ans Licht bringen.

So sassen wir in der Beratung, erzählten unter Tränen und Scham unsere Eskapaden und fragten: "Was können wir tun, damit solche Szenen NIE WIEDER passieren?!"


Die Antwort war so simpel wie überraschend für mich: "Darf das wirklich NIE MEHR passieren? Oder ist es einfach normal, dass wir uns nicht immer beherrschen können, dass unsere Kinder auch unsere schattigen Seiten zu sehen kriegen?" Im weiteren Verlauf des Gesprächs verstand ich, was sie meinte: Es ist nicht ok, wenn ich Gewalt und Angst anwende in meiner Beziehung zu meinem Sohn.

Aber es ist menschlich, und auch in Zukunft nie gänzlich zu vermeiden, dass mir Fehler passieren.

Ich kann nicht verhindern, dass ich meine Kinder verletze – sei es mit meinen Worten oder mit einem wutentbrannten, heftigen Griff am Arm, einem Kniff oder einem Schups ins Kinderzimmer. Ich bin ein Mensch. Aber so schrecklich diese Gewaltausbrüche sind: Sie haben nicht das letzte Wort. Ich kann mich entschuldigen, das Gespräch suchen, nachdem die Gefühle abgekocht sind und richtig stellen, was schief lief. Ich kann meinen Kindern vorleben, wie ich mit Situationen umgehe, in welchen ich durchbrenne und entgegen eigenen Werten handle. Ich zeige ihnen, wie ich Fehler eingestehe und um Vergebung bitte. Wie ich Vergebung annehme. Und mir letztlich selbst vergebe.


Seit der Beratung setze ich drei Dinge um, wenn die Wut gegenüber meinen Kindern aufkocht:

1. Ich blicke hinter das Verhalten und schaffe körperliche Nähe.

Ich nehme sie einfach in den Arm oder hoch zu mir. Meistens zerfliessen sie wie Butter, weil sie eigentlich Nähe suchen, meine Aufmerksamkeit, mein Verständnis, Orientierung im Umgang mit ihren Gefühlen, oder einfach nur müde oder hungrig sind.


2. Ich verschiebe die Konfliktlösung und Versöhnung auf später.

Meine Erwartung, dass wir uns hier und jetzt in der Hitze des Gefechts finden und denselben Weg einschlagen, gebe ich auf. Aber ich kündige an, dass wir später darüber reden, wenn wir uns alle beruhigt haben. Und später führen wir diese Gespräche, konsequent.


3. Ich vergebe mir schneller, wenn ich nicht meinen Idealen gerecht werde.

Das schafft so viel Entspannung, dass automatisch weniger Konflikte entstehen. Und es bewirkt auch, dass ich meinen Kindern gegenüber nachsichtiger bin.

Ich werde niemals an den Punkt in meinem Leben kommen, an dem ich immer richtig handle. Ich werde immer wieder andere verletzen und in schwachen Momenten entgegen meinen Werten handeln. Ich werde immer wieder Erlösung und Vergebung brauchen. Wenn ich dann auch noch streng zu mir bin, und mir selbst nicht ehrlich vergeben und andere nicht ehrlich um Vergebung bitten kann, dann erst entsteht der wahre Schaden. Deshalb, liebe Mamas und Papas und normale Menschen da draussen:

Sei nicht so streng zu dir, mit Bitte um Entschuldigung!

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